C2C im Bau: Orientierung für Kommunen

10 Planung

10.2 Kriterien für C2C in den Gebäudebereichen

Wie kann Cradle to Cradle im Bau umgesetzt werden? Hilfreich für die Planung, bei der Auswahl und Entscheidung für Materialien sowie Systemlösungen sind vorher festgelegte Kriterien und Priorisierungen. Sie bilden einen Rahmen und dienen als Entscheidungsgrundlage. Die folgende Liste beinhaltet Inspirationen für die verschiedenen Kriterien. Die darin enthaltenen Beispiele sollen jedoch nicht als die einzig richtige Lösung verstanden werden. Jedes Projekt bringt individuelle Rahmenbedingungen, Potenziale sowie Einschränkungen mit sich. Dementsprechend sollten auch die Entscheidungskriterien für das Projekt individuell definiert werden.

Infobox 6 – Entscheidungskriterien

Als Entscheidungsgrundlage können Kriterien in drei Kategorien definiert werden, die einen Rahmen zur Orientierung bei der Auswahl von Systemlösungen, Materialien und Produkten geben sollen. 

C2C-Ziele beschreiben Maßnahmen, die durch Umsetzung des C2C Designkonzeptes und der Denkschule zu einer ganzheitlich ausgerichteten Baukultur führen.

  • Die höchste Qualität, die Materialien erreichen können – gesund für Mensch und Umwelt und für das spezifische Nutzungsszenario geeignet, kreislauffähig, klima- und umweltfreundlich, fair. Auch wenn aktuell noch nicht alle Materialien in dieser Qualität verfügbar sind, gibt es die Zielrichtung vor. C2C ist ein Prozess: Was derzeit nicht erreichbar ist, kann in der Zukunft erreicht werden.

 

C2C-Mindestanforderungen beziehen sich auf Anforderungen, die mindestens erreicht werden müssen, um Komponenten als C2C-inspiriert bezeichnen zu können. 

  • C2C-Mindestanforderungen haben über die Reduktion von negativen Effekten hinaus bereits einzelne positive Auswirkungen auf das Bauprojekt, die Menschen und/oder die Umgebung.

 

Als C2C-No-Gos gelten Maßnahmen oder unerwünschte Nebeneffekte, die im Widerspruch zu den Zielen des C2C-inspirierten Bauens, des klimagerechten oder klimapositiven Bauens, sowie sozialer oder ästhetischer Nachhaltigkeit stehen. Sie wiederholen klassische Fehler aus der bisherigen Baupraxis.

  • Materialeigenschaften, die trotz Erfüllung geltender Normen und gesetzlicher Anforderungen nicht mit C2C kompatibel sind und strikt ausgeschlossen werden.
Abbildung 15: C2C-Entscheidungskriterien am Beisipel Kreislauffähigkeit
Abbildung 15: C2C-Entscheidungskriterien (In Anlehnung an: Stiglmair und Jurkait, Arup, 2018)

Materialgesundheit

Definierte, gesunde Materialien sind ein wesentlicher Baustein für gesunde Gebäude. Schimmel- und Hefepilze, Bakterien sowie Allergene stellen große Risiken für die Innenraumluftqualität dar. Auch eine hohe Baufeuchte und die Emissionen von Harzen und anderen bauchemischen Produkten wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Da Chemie nicht Teil der Architekturausbildung ist, sind Architekt*innen oft nicht mit der Materialchemie vertraut. Doch sie hat gravierenden Einfluss auf die Luftqualität, die Energieerzeugung und -einsparung und die Oberflächen, mit denen Nutzer*innen und Bewohner*innen in Kontakt kommen.

Ziel ist deshalb die Verwendung von qualitativ hochwertigen Materialien, um innen wie außen solche Risiken für Mensch und Umwelt gar nicht erst aufkommen zu lassen. Die Inhaltsstoffe der Materialien müssen positiv definiert und für das spezifische Nutzungsszenario geeignet sein. Positiv definiert heißt also nicht allein „frei von‟ einem bestimmten Schadstoff, sondern dass alle enthaltenen Inhaltsstoffe bekannt sind. Materialien, die mit Menschen oder der Umwelt in Kontakt kommen, müssen sich dafür eignen und dürfen nur gift-, reiz- und schadstofffrei, gesund und gesundheitsfördernd sein. Das Emissionsverhalten muss nachgewiesenermaßen gesundheitlich unbedenklich oder förderlich sein. Materialien, die nicht im direkten Kontakt mit Menschen oder der Umwelt stehen, können – wenn Kreislaufführung und Inhaltsstoffe positiv definiert sind – in der Technosphäre geführt werden. 

Diese Informationen zu den verwendeten Produkte sollten in Materialpässen erfasst werden. Denn die planerisch vorgedachte Sicherung der Baugesundheit und Kreislauffähigkeit ist elementarer Bestandteil einer C2C-inspirierten Bauweise. Daher sind eine durchgängige digitale Dokumentation der verbauten Materialien und ihres Emissionsverhaltens sowie regelmäßige Kontrollmessungen wichtige Aspekte und dienen der Sicherung hoher baugesundheitlicher Qualität. Eine Innenraumluftmessung nach Baufertigstellung ist absolut notwendig. Die Einhaltung der Werte sollte nach dem Ende der Baumaßnahme und vor der Übergabe mit Raumluftmessungen durch ein Gutachten bestätigt und in der Betriebsphase regelmäßig überprüft werden.

Die verwendeten Materialien oder Bauteile können darüber hinaus Mehrwerte schaffen und damit nützlich sein für Mensch und Umwelt. Sie können beispielsweise aktiv die Luftqualität verbessern, bei Feuchte ausgleichend wirken, Wärme speichern, durch Strahlungswärme für Behaglichkeit in Innenräumen sorgen und so ein gesundes Innenraumklima bieten.

Gesunde Materialien in Innenräumen © C2C NGO

Neben dem Gebäude selbst kann auch die darin verwendete Ausstattung dazu beitragen, gesunde Lebensräume zu schaffen und zu erhalten. Möbel, Matratzen oder Geräte, die problematische Substanzen in die Luft abgeben, beeinträchtigen die Luftqualität, und das C2C-Ziel, einen gesunden Lebensraum zu schaffen, wird nicht erreicht. Wo der Einbau solcher Produkte vorerst nicht zu umgehen ist, muss aktiv gegengesteuert werden. Materialien, die etwa Feinstäube binden (z.B. luftreinigende Teppiche, Pflanzen) oder Schadstoffe durch Photokatalyse neutralisieren, können dabei unterstützen.

Eine Hilfestellung bei der Materialauswahl und produktneutralen Ausschreibung bietet unter anderem die Plattform WECOBIS des Bundes. Das Umweltbundesamt gibt zudem empfohlene Richtwerte für maximale Konzentrationen verschiedener Innenraumschadstoffe vor, sodass diese auch bei lebenslanger Exposition kein Gesundheitsrisiko darstellen. Die Cradle to Cradle Certified® Restricted Substances List (RSL) und die europäische REACH-Verordnung bieten Informationen zu auszuschließenden und besonders besorgniserregenden Substanzen (siehe Infobox 7). Ein mögliches Bewertungssystem für Materialien ist die ABC-X Methode.

  • C2C-Ziel: ausschließliche Verwendung von im Nutzungsszenario gesunden und gesundheitsfördernden Materialien, die (wenn möglich) einen positiven Mehrwert bieten und nachweislich frei von schädlichen Emissionen sind.
  • C2C-Mindestanforderung: Stoffe von der Cradle to Cradle Certified® Restricted Substances List (RSL) sind so weit wie technologisch und finanziell möglich eliminiert. Es werden gesunde und gesundheitsfördernde Produkte und Materialien verbaut und genutzt.
  • C2C-No-Go: unbekanntes Emissionsverhalten der Bauteile und Materialien, die Verwendung von Inhaltsstoffen von der Cradle to Cradle Certified® Restricted Substances List (RSL), Missachtung der Gesundheit an Wohn- oder Arbeitsplatz.

Feinstaubbindende Teppichfliesen © C2C NGO

Infobox 7 – Richtwerte und -kriterien

Die hier genannten Beispiele sind methodische Tools, die dabei helfen können, gefährliche Substanzen auszuschließen. Nicht alle Beispiele entsprechen den C2C-Anforderungen, können aber als Mindestkriterien angesetzt werden. Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Kreislaufführung

Unter das Kriterium der Kreislaufführung fallen bei C2C im Kontext Bau zwei Aspekte – die Materialebene und die Gebäudeebene. Ein C2C-inspiriertes Gebäude ist im Idealfall vollständig rückbaubar. Eine Bedingung dafür ist, dass auch die einzelnen Materialien und Systeme in sich kreislauffähig sind. Das wiederum setzt ein C2C-Design dieser Bestandteile voraus. 

Akustiplatte querschnitt
Rückbaubare Akustikplatten aus Holzwolle
© C2C NGO
Modulare Glastrennwände im Büro
Modulare C2C-Glastrennwände
© C2C NGO
Holzboden wird schwimmend verlegt
C2C-Holzboden schwimmend verlegt
© C2C NGO

Materialkreislauf

Alle verwendeten Materialien und Bauteile sollen sich für die Kreislaufführung innerhalb der Biosphäre oder Technosphäre eignen. Einstoffliche Bauteile und Monomaterialien sind dabei oft von Vorteil. Natürliche Rohstoffe wie Holz, Stroh oder Lehm können in Form von konfektionierten Bauteilen eine Zeit lang innerhalb der Technosphäre zirkulieren, müssen aber am Ende immer wieder sicher und unbedenklich in die Biosphäre zurückgeführt werden können, also biologisch abbaubar sein.

Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen haben den Vorteil, dass sie Kohlenstoff speichern können. Zementhaltige Baustoffe beispielsweise verursachen dagegen bei der Herstellung und Verarbeitung große Mengen CO2, sind nur eingeschränkt und mit Qualitätsverlusten reyclebar und sollten daher nur dort zur Anwendung kommen, wo es technologisch derzeit keine Alternativen gibt. Auch hier gibt es jedoch immer mehr innovative Produktlösungen. Metalle und Stahl sind zwar energieintensiv in den Herstellungsprozessen, aber in hoher Qualität recyclebar und können endlos in der Technosphäre zirkulieren, wenn die Materialien sortenrein trennbar bleiben, richtig verarbeitet, verbaut und eingesetzt werden.

Die bereits vordefinierte Kreislaufführung von Bauteilen und Materialien – Abbaubarkeit in der Biosphäre sowie Wieder- oder Weiterverwendung bzw. -verwertung in der Technosphäre –, ermöglicht es, vorausschauend mit den Ressourcen zu planen. Einerseits kann damit kalkuliert werden, wann welche Materialmengen wieder für den Markt und die Produktion neuer Produkte verfügbar werden. Andererseits können die Nutzungszyklen sinnvoll definiert werden, sodass Materialien und Produkte so lange wie möglich sinnvoll genutzt werden können und Ressourcen für Produktinnovation verfügbar werden. Materialien, Produkte und Bauteile, für die die Hersteller oder Herstellerverbände Rücknahme- und Recyclingsysteme etabliert haben, sollten bevorzugt werden. So können diese Prozesse gefördert werden. Eine Auswahl kreislauffähiger Materialien kann auch bei einer möglichen Nachhaltigkeitszertifizierung des Gebäudes nachgewiesen werden, beispielsweise im DGNB-System.

Projektabhängig können schon beim Ersteinbau bereits vorgenutzte Bauteile oder -materialien direkt oder nach ihrer Aufwertung eingesetzt werden. Geltende Normen und Zulassungskriterien sowie die Anforderungen an die Materialgesundheit sind dabei zu beachten. Es gibt bereits etablierte Bauteilbörsen, in deren Leistungsumfang auch die Re-Zertifizierung oder Erneuerung und Verlängerung der Gewährleistung enthalten ist. Gleichzeitig sind die Zulassungskriterien aber auch kritisch zu hinterfragen, und es können Änderungen oder Anpassungen im Rahmen von Modellvorhaben angestoßen werden. Auf Kommunal-, Kreis- oder Landesebene könnte ein eigenes öffentliches Wertstoff-Management etabliert werden, um die Wiederverwendung von Materialien zu fördern und Materialkreisläufe zu schließen. Die digitalen Instrumente für die Erfassung und das Management von Stoffströmen gibt es bereits.

Für viele Produkte können alternative Geschäftsmodelle wie Produkt-Service-Systeme genutzt oder bei den Herstellern angestoßen und eingefordert werden. Für die Gebäudehülle ist das beispielsweise bei vorgehängten Fassadensystemen, Fenstern oder Türen möglich, in der Ausstattung bei technischen Anlagen, Spülmaschinen oder Lichtsystemen. Die Hersteller erhalten so ihre Produkte zu planbaren Zeitpunkten zurück und sind bestrebt, sie so zu gestalten, dass die wertvollen Materialien zurückgewonnen werden können. Es lohnt sich also für sie, eine hohe Produktqualität sicherzustellen und hochwertige Produkte können zu günstigeren Preisen angeboten werden.

Zusätzlich sollte geprüft werden, inwiefern die Gebäudetechnik die (Rück)gewinnung und Kreislaufführung biologischer Nährstoffe fördern kann. Dies kann etwa durch die Integration von Urban Farming-Konzepten, die Kopplung von Grauwasseraufbereitung mit Fischbecken oder Algenzucht in Kombination mit Sonnenschutz realisiert werden. Wo möglich, können quartierweite Lösungen genutzt werden.

  • C2C-Ziel: alle Materialien und Bauteile können uneingeschränkt und in hoher Qualität in der Biosphäre oder Technosphäre zirkulieren. Das Gebäude leistet einen aktiven Beitrag zur Kohlenstoffbindung.
  • C2C-Mindestanforderung: die Mehrheit der Materialien und Bauteile sind für den technischen oder biologischen Materialkreislauf geeignet und rückführbar.
  • C2C-No-Go: Materialien und Bauteile sind nicht oder nur unter Qualitätsverlust für Stoffkreisläufe geeignet.

Rückbaubarkeit

Die Fügung der Konstruktionselemente sollte dem Prinzip Design für Demontage folgen. Das heißt, es kommen möglichst nur kraftschlüssige, lösbare Bauteilverbindungen wie Schrauben oder Klemmen zum Einsatz. Dadurch können ein zerstörungsfreier und qualitätssichernder Rückbau und eine Rückführung in die Wiederverwendung oder Verwertung sichergestellt werden. Die Rückbaubarkeit eines Gebäudes kann auch in Zertifizierungssystemen nachgewiesen werden, beispielsweise im DGNB-System.

Wird das individuelle Brandverhalten von tragenden Bauteilen berücksichtigt und eine entsprechende Überdimensionierung eingerechnet, kann die erforderliche Standsicherheit gewährleistet werden, ohne die Bauteile zusätzlich zu verkleiden oder mit problematischen Anstrichen zu versehen. Daher empfiehlt sich abhängig von der jeweiligen Gebäudeklasse eine genauere Prüfung dieser Möglichkeit durch die Tragwerksplanung. 

Die technische Infrastruktur sollte ohne schädliche Eingriffe in Tragwerk und Innenausbau montiert und demontiert werden können. Wo möglich und zulässig sollten „Aufputz“-Lösungen bevorzugt werden. Notwendige Verkleidungen sind so zu gestalten, dass Wartung und Austausch jederzeit problemlos möglich bleiben. Entsprechende Planungen fließen in das digitale Planungs-Modell ein. Gebäudetechnik sollte gut zugänglich und revisionierbar verbaut werden. Im Falle einer Gebäudezertifizierung kann dies beispielsweise im DGNB-System nachgewiesen werden. Mit Blick auf sich ändernde Anforderungen an Art und Umfang der Gebäudetechnik kann es sinnvoll sein, Raumreserven einzuplanen.

Ausstattungselemente sind in der Regel bis auf wenige Ausnahmen wie Einbauküchen, Sanitäranlagen oder Treseneinbauten beweglich. Damit können sie recht einfach ausgetauscht werden. Feste Einbauten hingegen müssen von vornherein reversibel geplant und entsprechend verbaut werden, damit sie zu einem späteren Zeitpunkt zurückgewonnen und wieder für die Materialkreisläufe verfügbar gemacht werden können. Für feste Einbauten gelten dieselben Anforderungen wie für tragende und nichttragende Elemente.

  • C2C-Ziel: Alle Elemente und Verbindungen sind für Weiter- und Wiedernutzung optimiert, die sortenreine Trennung ist uneingeschränkt möglich; uneingeschränkte Rückbaubarkeit und Trennbarkeit als Voraussetzung für geschlossene Stoffkreisläufe; Wartung, Austausch sowie Erweiterung und Verlegung aller Anlagen ist jederzeit zerstörungsfrei möglich.
  • C2C-Mindestanforderung: reversible Verbindungen und trennbare Systeme sowie Weiterverwendung oder Wiederverwendung sind teilweise möglich; Wartung, Austausch und Anpassungen einzelner Anlagen sind weitgehend zerstörungsfrei möglich.
  • C2C-No-Go: Materialien und Bauteile sind nicht oder nur durch Zerstörung rückbaubar, die sortenreine Trennung ist unmöglich; nicht oder kaum revisionierbare und austauschbare Installationen, fehlende Zugänglichkeit.
Teppichfliese grau
Lose verlegte C2C-Teppichfliesen
© C2C NGO
Innenraum C2C LAB mit Elektrik Aufputz in kreislauffähigen Rohren
Elektrik Aufputz verlegt in kreislauffähigen Rohren, einfach zugänglich
© C2C NGO
Lichtschalter und Kabel mit C2C Schaltersystem
Kabel Aufputz verlegt mit C2C-Schaltersystem
© C2C NGO

CO2-Management und Schutz von Wasser und Boden

Im Idealfall sind C2C-inspirierte Gebäude Kohlenstoffspeicher. Sie können CO2 speichern oder sogar aktiv binden. Wasser und Boden sind wichtige Allgemeingüter, deren Qualität durch Bauaktivitäten nicht verschlechtert werden darf. Biodiversität und die Kreislaufführung von Wasser sind daher zwei wichtige Elemente C2C-inspirierter Gebäude.

Kohlenstoffmanagement

Während sich klassische Bauweisen heute fast ausschließlich auf die Minderung von CO2-Emissionen fokussieren, werden bei C2C-Bauprojekten Klima- und Ressourcenaspekte zusammengedacht. Ziel ist es, Gebäude zu bauen, die Kohlenstoff speichern und binden. Das kann zum einen durch die Auswahl der Baumaterialien geschehen und zum anderen durch die Begrünung und Bepflanzung des Gebäudes. Naturbaustoffe haben den Vorteil, dass in ihnen bereits CO2 gebunden ist. Beispiele dafür sind Holz, Seegras, Reet, Flachs, Hanf, Stroh, Lehmbaustoffe oder Gesteine. Zu beachten sind hier Transportwege und Transportmittel sowie der Anbau des Holzes. Wichtig ist bei dieser Entscheidung die gesamte CO2-Bilanz von der Wertschöpfung über den Transport und Einbau bis hin zum Rückbau zu evaluieren. Auch Materialien der Technosphäre können eine Alternative sein, speziell Materialinnovationen, wenn diese kreislauffähig sind.

  • C2C-Ziel: Das Gebäude wird zur Kohlenstoffsenke, zum Beispiel durch den Einsatz von Baustoffen in denen CO2 gespeichert ist. Das Gebäude bindet aktiv Kohlenstoff, zum Beispiel durch Begrünung, Wassersystemen oder Bodenaufbau rund um das Gebäude. 
  • C2C-Mindestanforderung: Es werden Produkte eingesetzt, die mindestens CO2-neutral und kreislauffähig sind. Durch den Betrieb des Gebäudes entstehen keine Kohlenstoffemissionen.
  • C2C-No-Go: Baustoffe, die in ihrer Produktion hohe CO2-Emissionen verursachen und nicht kreislauffähig sind, obwohl Alternativen vorhanden sind.
Begrünung in und an Gebäuden © C2C NGO

Biodiversität

Biodiversität ist unsere Lebensgrundlage und von entscheidender Bedeutung. Deshalb wird die für den Standort bestmögliche Begrünung und der Erhalt des lebendigen Bodens angestrebt. Die Kohlenstoffbindung wird erhalten und gefördert. Ausgleichsmaßnahmen für (Teil-)Versiegelungen sollten auf dem Grundstück selbst oder im nahen Umfeld erfolgen. Dazu stehen neben dem Grundstück auch Dächer und Fassaden zur Verfügung. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Gebäudebegrünungen, je nach Art und Auswahl der Pflanzen, in ihrer ökologischen Wertigkeit geringer sein kann als eine Begrünung direkt am Boden durch Bäume und Biotope. Örtliche Nährstoffkreisläufe und Kleinbiotope sollen geschützt und gefördert werden.

Das Ziel ist, die Biodiversität im Vergleich zum unbebauten Grundstück („grüne Wiese“) nach dem Bau oder der Sanierung mindestens zu erhalten, besser noch zu erhöhen. Der Standort des Gebäudes spielt bei dieser Entscheidung eine wesentliche Rolle: Während es bei einem Gebäude im städtischen Kontext in der Regel sinnvoll ist, einen Fokus auf die Förderung der Biodiversität zu legen, kann dies im ländlichen Raum von geringerer Bedeutung sein, wenn im Verhältnis zwischen bebauter Fläche und natürlicher Umgebung die Natur überwiegt.

Es werden standortgerechte, selbsterhaltende Kleinbiotope angestrebt, die das Grundstück als biologisches Reservoir für das Umfeld nutzen und ebenso einen Beitrag zur „Essbaren Stadt‟ leisten. Auf dem Grundstück kann die Artenvielfalt so durch standortgerechte Bepflanzung, Gewässer oder auch das Anlegen eines Ameisenbaus gefördert werden.

Es gibt viele Möglichkeiten, Dächer und Fassaden gezielt in die aktive Förderung der Biodiversität einzubeziehen. Denn mit der Gebäudehülle kann die biologisch aktive Fläche vergrößert werden. Im Wechselspiel mit den Freiflächen können Verluste durch die Versiegelung für den Neubau kompensiert oder innerhalb kurzer Zeit eine standortgerechte Vielfalt hergestellt werden. Dach- und Fassadenbegrünungen wirken dämpfend auf Temperaturschwankungen und verbessern das Mikroklima im und um das Gebäude. Zudem lassen sie sich aktiv in das Wassermanagement einbeziehen. Fassade und Dächer können zudem für Nisthilfen, Bienenhotels oder im Rahmen von Biodiversitäts-Gründächern als Rückzugsorte durch Totholz, Sandlinsen oder Gebüsch für verschiedene Arten genutzt werden. Aussenbeleuchtung ist möglichst zielgenau und sparsam mit möglichst geringen Streuverlusten zu gestalten, um den Tag/Nachtrhythmus von Insekten und anderen Tiere nicht zu stören.

Die zur Begrünung genutzten Systeme sollten möglichst wartungsarm sein. Bodengebundene Pflanzsysteme sind in der Regel wartungsärmer als topfgebundene und diese wiederum wartungsärmer als wandgebundene. Auf der anderen Seite ist die Biodiversität bei topf- und wandgebundenen Systemen deutlich höher. Hier ist also projektspezifisch eine Abwägung notwendig. Abdichtungsbahnen und andere Komponenten, mit denen das Wasser und dadurch mittelbar auch die Pflanzen und der Boden in Kontakt kommen, müssen für die Biosphäre geeignet sein, dürfen also beispielsweise keine Herbizide und Fungizide enthalten. Der Bundesverband GebäudeGrün hat hierzu verschiedene Arbeitshilfen veröffentlicht. Auch im DGNB-System finden sich Bewertungsmethoden zur Steigerung der Biodiversität.

Die Innenraumbegrünung kann bei entsprechender Dimensionierung und Positionierung zur Reinigung und Befeuchtung der Innenraumluft beitragen, so dass sie einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Nutzer*innen hat und die Interaktion zwischen Mensch und Natur fördert. Darüber hinaus fördern Pflanzen im Büro die Produktivität der Mitarbeiter*innen. Geeignete Begrünungssysteme stimmen die Pflanzenauswahl gezielt darauf ab. Für die Innenraumbegrünung bieten sich Produkt-Service-Modelle an.

  • C2C-Ziel: Die Biodiversität ist höher als vorher; es werden standortgerechte, selbsterhaltende Kleinbiotope erzeugt; das Grundstück wird zum biologischen Reservoir für das Umfeld; es leistet einen Beitrag zur „Essbaren Stadt‟; die Qualitäten „grüner Wände“ und vergleichbarer Elemente sind integraler Bestandteil des Innenraumkonzeptes und der Innenraumluftqualität.
  • C2C-Mindestanforderung: Biodiversität wird erhalten oder durch Ausgleichsmaßnahmen wie Neupflanzungen am Boden, Dachbegrünung oder Fassadenbegrünung kompensiert; Böden auf dem Grundstück sind aktiv; „grüne Wände“ oder vergleichbare Elemente finden in geeigneten Räumen eine über Dekoration hinausgehende sinnvolle Anwendung.
  • C2C-No-Go: Leblose, inaktive Böden dominieren das Grundstück; „Steingärten“, Monokulturen, Einsatz von Pestiziden; die Biodiversität am Grundstück sinkt durch Baumaßnahme; natürliche Elemente werden in Innenräumen nicht berücksichtigt oder gezielt ausgeschlossen.

Wasserkonzept

Es gibt ein schlüssiges Management für Niederschlagswasser, um sowohl das Austrocknen als auch das Abtragen des Bodens aber auch Schäden am Gebäude bei Starkregen zu verhindern. Das Konzept der „Schwammstadt‟ kann hierbei als Inspiration dienen und von der stadtplanerischen Ebene auf das Grundstück heruntergebrochen werden: Das Grund- und Oberflächenwasser wird geschützt und dem natürlichen Wasserkreislauf ohne schädliche Einträge und gegebenenfalls gereinigt zurückgegeben. Getrennte Leitungssysteme für Niederschlags-, Betriebs- und Schmutzwasser sowie die Nutzung von Trenntoiletten oder Vakuumtoiletten sowie kompakte biologisch-mechanische Kläranlagen auf Gebäude- oder Quartiersebene reduzieren die Mengen an zentral zu reinigendem Schmutzwasser. 

Die Gebäudehülle kann ihren Beitrag dazu leisten, Niederschlagswasser zeitverzögert abfließen zu lassen. So wird das Wasser für eine Kaskadennutzung erschlossen und zugleich eine mögliche Überlastung bei der Abführung des Wassers in Sammelsysteme oder direkt in den Boden vermieden. Denn Wasser kann für unterschiedliche Anforderungen im und am Haus mehrfach genutzt werden, mit abnehmender Qualität im Sinne der Hygiene. Dabei wird der Verbrauch von Trinkwasser (höchste Qualität) zu Gunsten von Regenwasser (mittlere Qualität) und vor Ort gereinigtem Wasser (niedrige Qualität) reduziert. Die mittlere und niedrige Wasserqualität kommen zum Einsatz, wo nicht die höchsten hygienischen Anforderungen erfüllt werden müssen, wie in der WC-Spülung oder zur Grünbewässerung. Dafür können, insbesondere in Verbindung mit Begrünungsmaßnahmen, Speicherkapazitäten, Wasserreinigungssysteme und Retentionsflächen konzipiert und implementiert werden. Das gesammelte Wasser sichert den Pflanzen eine von Niederschlagsereignissen unabhängigere Versorgung und dämpft die sommerliche Wärmebelastung, sowohl innerhalb der Gebäude als auch im Mikroklima der Umgebung. Das Wasser kann zudem für weitere, nicht auf Trinkwasserqualität angewiesene Bereiche zur Verfügung gestellt werden. Für die Ermittlung des Wasserbedarfs kann das DGNB-System hilfreich sein. 

Der Bedarf an Frischwasser kann durch sparsame Armaturen reduziert und Trinkwasser durch Filterung und Aufbereitung vor Ort verbessert werden. Alle eingebauten Materialien müssen entsprechend ihres Nutzungsszenarios für den biologischen oder den technischen Kreislauf geeignet sein.

Offene Wasserflächen werden in die Freiraumgestaltung einbezogen, um Starkregenereignisse abpuffern zu können, das Bewusstsein für das Element Wasser zu fördern und seine Qualitäten in Sachen Mikroklima und Biodiversität zu nutzen. Umgesetzt wird dieses Konzept durch technische Elemente, wie Zisternen oder Rigolen, oder naturnahe Elemente, wie Mulden, Teiche oder Retentionsflächen, die harmonisch in die Freiraumgestaltung einbezogen werden. Die Gestaltung von Wassernutzungskonzepten wird im Falle einer Zertifizierung nach DGNB positiv bewertet.

Versiegelungen sind auf das absolut Notwendige zu beschränken, um die Versickerungsfähigkeit des Bodens zu erhalten. Im selben Sinne sind vorhandene Versiegelungen wenn möglich zurückzubauen oder durch versickerungsfähige Lösungen wie Pflasterbeläge zu ersetzen. Eine Sanierung von Bodenverunreinigungen ist bei Vorhandensein geeigneter technischer Lösungen im Interesse der Generationengerechtigkeit dringend empfohlen.

Um das Wasser vor Schadstoffeintrag zu schützen, darf es nur mit Materialien in Kontakt kommen, die sich für dieses Nutzungsszenario eignen. Das heißt, dass die wasserführenden Elemente weder schädliche Substanzen noch problematischen Materialpartikel in das Wasser und darüber in die Natur abgeben dürfen. Außerdem sind Beschichtungen, die biozid wirken, problematisch, weil sie in der Umwelt oder bei der Wasserreinigung negativ auf die Mikroorganismen wirken, die ja eigentlich die Reinigungsarbeit leisten sollen. Komponenten, die beispielsweise Herbizide oder Fungizide enthalten, sind ebenfalls zu vermeiden.

  • C2C-Ziel: Ein intakter Wasserkreislauf; Wasser ist integraler Konzeptbestandteil; Das Wassersystem leistet einen Beitrag zur „Schwammstadt‟; Nettoentsiegelung findet statt falls Versiegelung auf dem Grundstück vorhanden ist. 
  • C2C-Mindestanforderung: Regen- und Grauwassernutzung; Vorstufe von (Ab-)Wasserreinigung.
  • C2C-No-Go: Hohe Flächenversiegelung, Schadstoffeintrag in Wassersystem und Umwelt.

 

Erneuerbare Energien

Gebäudeform und -ausrichtung haben Einfluss auf den Energiehaushalt und damit auf den Bedarf an technischer Ausstattung. Neben einem ausschließlich auf erneuerbaren Energien basierenden Energiekonzept spielt bei C2C-inspirierten Gebäuden auch der Ausbau und die Nutzung passiver Effekte durch eine effektive technische Gebäudeausstattung eine wichtige Rolle.

Energiekonzept

Ein übergeordnetes Ziel von C2C-inspirierten Gebäuden ist es, die für den Gebäudebetrieb benötigte Energie vollständig aus erneuerbaren Quellen aus Sonne, Wasser, Wind und Erde zu sichern und eine positive Energiebilanz sicherzustellen. Da heißt: Das Gebäude liefert mehr erneuerbare Energie als bei der Nutzung gebraucht wird. Dabei muss die Graue Energie, die beim Bau und Rückbau des Gebäudes sowie der Produktion und Entsorgung von Baumaterialien sowie technischen Anlagen eingesetzt wird, auf allen Ebenen einbezogen werden. Dafür braucht es frühzeitig Wissensaustausch und Zusammenarbeit zwischen Architektur- und Fachplanung und Nutzer*innen. Erforderliche technische Anlagen sollen wartungsarm sein sowie gut zugänglich und trennbar von Tragwerk und Innenausbau verbaut werden.

Die Gebäudehülle kann auf vielfältige Weise zur Gewinnung von Energie aus solaren Einträgen genutzt werden. Solarpanele und andere innovative Systeme können auf Dächern und Fassaden angebracht oder in Jalousien integriert werden. Dabei ist eine Balance zur angestrebten Begrünung der Gebäudehülle zu finden. Daher sollte der Gebäudeentwurf die geografischen und klimatischen Erfordernisse und Potenziale aufnehmen und Aspekte wie Tageslichtnutzung oder manuelle Belüftung einbinden. Was am Anfang durch passive, gestalterische Maßnahmen gelöst werden kann, braucht später keine Korrektur durch gebäudetechnische Maßnahmen.

  • C2C-Ziel: Das Gebäude nutzt ausschließlich erneuerbare Energie und es wird mehr Energie erzeugt als verbraucht. Da gilt auf Gebäudeebene oder Quartiersebene.
  • C2C-Mindestanforderung: Das Gebäude oder Quartier erzeugt bilanziell so viel erneuerbare Energie wie verbraucht wird. Wenn die Rahmenbedingungen dies nicht ermöglichen nutzt das Gebäude so viel Energie aus erneuerbaren Quellen wie möglich. 
  • C2C-No-Go: Strom, Wärme sowie Kälteversorgung stammen aus nicht-regenerativen Energiequellen. Die Gebäudeform ignoriert geografische und klimatische Erfordernisse und Potenziale.

     

Passive Effekte

Die Gebäudegestaltung und die Nutzung des Mehrwerts passiver Effekte stehen in engem Zusammenhang miteinander und spielen eine wichtige Rolle dabei, den Einsatz von Technik effektiv zu gestalten und sinnvoll zu minimieren.

„Der Faktor Mensch wird bei technikzentrierten Effizienzstrategien oft zu wenig berücksichtigt. Eine zunehmende und komplexer werdende Gebäudetechnik stellt viele Nutzer und Gebäudebetreiber vor Probleme. Ein möglicher Weg besteht darin, die verbaute Technik auf das unbedingt notwendige Maß zu reduzieren und bauliche Lösungen zu bevorzugen. Eine robuste, einfach zu bedienende Klimatisierung von Gebäuden sowie die Einbindung der an der Nutzung und dem Betrieb beteiligten Akteure in den Planungsprozess und den Gebäudebetrieb helfen, nicht intendierte Wirkungen von Effizienzmaßnahmen zu reduzieren. So ist es übrigens auch im energetischen Pflichtenheft des Leitfadens `Nachhaltiges Bauen’ formuliert, der für den Bund verbindlich ist.‟ Dr. Markus Eltges, Leiter des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR).

Folgende Fragen helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen: 

  • Wird tatsächlich immer eine technische Lösung im Nutzungsalltag verlangt? 
  • Wenn ja, kann das Problem passiv mit Hilfe einfacher physikalischer Wirkprinzipien gelöst werden? 
  • Wenn nein, wie lässt sich der Umfang aktiver technischer Lösungen und damit verbundener Kosten und Wartungsaufwand angemessen gestalten? 
  • Wie lassen sich Komponenten aus problematischen Materialien vermeiden und Erneuerungszyklen der Anlagen sinnvoll planen?

 

Die örtlichen Gegebenheiten, wie die Ausrichtung zur Sonne, Sonnenstunden, Wind- und Wasserverhältnisse, gilt es zu untersuchen und gezielt zu nutzen. So kann ein hocheffizientes und komfortables Gebäude entstehen, das mit effektiven Systemlösungen und einfachen, ressourcenschonenden Elementen das ganze Jahr hindurch die Bedürfnisse der Nutzer*innen erfüllt. Auch dieser Aspekt wurde bereits in Zertifizierungssystemen aufgegriffen, beispielsweise im DGNB-System. Eine Inspiration können auch Gebäude nach dem 2226-Prinzip nach Baumschlager Eberle sein, bei dem die Raumtemperatur ohne Heizung ganzjährig durch passive Maßnahmen und intelligente Steuerung zwischen 22 und 26 Grad gehalten wird. In jedem Fall ist die projektspezifische Situation zu berücksichtigen. Denn eine Kita hat andere Anforderungen als ein Verwaltungsbau, ein Museum, eine Feuerwehrstation oder ein Wohnhaus.

Die eingesetzte Gebäudetechnik, egal ob im Gebäudeinneren oder in der Gebäudehülle verbaut, soll unkompliziert zu warten und zu bedienen sein. Die Nutzungsdauer muss sinnvoll definiert werden und innovative Konzepte wie Produkt-Service-Systeme können zum Einsatz kommen. So können effektive Systemlösungen realisiert und effizient genutzt werden sowie Innovation vorangetrieben werden. 

  • C2C-Ziel: Intelligente, ganzheitliche Lösungen mit so wenig Technik wie möglich und so viel Technik wie nötig.
  • C2C-Mindestanforderung: In mehreren TGA-Bereichen wird das Potenzial für passive Lösungen einbezogen, die notwendige Technik ist wartungsarm. Der Gebäudeentwurf trägt dazu bei, das die Mehrwerte passiver Effekte genutzt werden, um den eigenen eigenen Energiebedarf zu decken, etwa bei Tageslichtnutzung, Belüftung, Kühlen und Heizen.
  • C2C-No-Go: Unverhältnismäßig teure, wartungsintensive Gebäudetechnik, unverhältnismäßige Erneuerungszyklen, negative Nebeneffekte auf Innenraumqualitäten.

Soziale Gerechtigkeit

Soziale Gerechtigkeit bedeutet im Kontext von C2C im Bau nicht nur, dass entlang aller Wertschöpfungsketten sämtlicher in einem Bauprojekt verwendeter Materialien faire und menschenwürdige Arbeitsbedingungen sichergestellt werden. Denn das muss selbstverständlich sein.  Die sozialen Auswirkungen, die ein Gebäude auf die Menschen in seiner Umgebung haben, sind mindestens so wichtig. Sie wirken bei einem C2C-inspirierten Gebäude positiv auf das Gemeinwohl. 

 

Gemeinwohl

Gemeinwohlorientierung kann auf unterschiedlichen Ebenen Anwendung finden. Die Projektentwicklung sollte unter Berücksichtigung des Grundstückskontextes stattfinden. Bezogen auf das Grundstück kann es wirkungsvoll sein, dass es in öffentlichem Eigentum bleibt und – geknüpft an konkrete gemeinwohlorientierte Bedingungen – lediglich verpachtet wird. Wenn Kommunen einen möglichst großen Teil der Wohnungen besitzen, bietet ihnen dies im Vergleich zu einem hohen Privatisierungsanteil die Möglichkeit, die lokalen Mietpreise sozialverträglich zu regulieren. Ein kommunales Vorkaufsrecht kann in bestimmten Fällen ein zusätzliches Steuerungsinstrument sein, dass sich etwa in Innenstädte mit ihren zentralen Funktionen oder in instabilen Stadtquartieren anbietet.

Auch der Grundriss des Gebäudes kann durch multifunktionale Flächen und Flächen für Austausch und Begegnung Gemeinwohl aktiv fördern. Insbesondere öffentliche oder halböffentliche Räume, von denen auch die Nachbarschaft profitiert, erzeugen einen Mehrwert und vernetzen einzelne Gebäude mit dem Quartier. Gemeinschafts- oder Multifunktionsflächen stehen den internen oder auch externen Nutzer*innen zur Verfügung und tragen so zu stabilen Nachbarschaften bei. Die kleingewerbliche Nutzung von Erdgeschossen bringt Leben in Wohnviertel und Bürolandschaften. Diese Aspekte der Nutzungsvielfalt finden sich auch in der Gebäudezertifizierung wieder, beispielsweise im DGNB-System.

Sharing-Konzepte im Haus oder Quartier, die Einbindung in regionale Mobilitätskonzepte, Kinder- und Seniorenbetreuung, Repair-Shops oder Tauschbörsen werden Bestandteile der Zielsetzung und Planung. Auch diese Aspekte können in einigen Zertifizierungssystemen positiv in die Bewertung einfließen, im DGNB-System etwa über Circular Economy Boni). Partizipative Prozesse werden so früh wie möglich initiiert und integriert. Das Nahversorgungsystem wird durch Einbindung von regionalen Lieferanten und Dienstleistungen gestärkt. Barrieren in der Umsetzung solcher Maßnahmen können durch Ausnahmetatbestände für Innovationen oder die Überarbeitung örtlicher Satzungen und Bauvorschriften abgebaut werden. 

  • C2C-Ziel: Das Gebäude trägt aktiv zur sozialen Diversität im Quartier oder der Kommune bei; das Grundstück verbleibt im öffentlichen Eigentum und wird mit C2C-Bedingungen verpachtet; die Projektentwicklung bezieht den örtlichen Kontext und die örtlichen Bedürfnisse umfassend und frühzeitig ein; ein Gebäude, dass sich in den Kontext einfügt, das Miteinander fördert sowie einen sozialen Mehrwert für seine Nutzer und das Quartier schafft.
  • C2C-Mindestanforderung: Die Grundstücksnutzung (möglichst in Pacht) wird an gemeinwohlorientierte Bedingungen geknüpft; das Bauprojekt harmoniert mit Grundstück und Kontext; es entstehen gut gestaltete Begegnungsräume sowie Nutzungs- und Nutzer*innendurchmischung; der örtliche Kontext wird frühzeitig in die Projektentwicklung einbezogen; innerhalb des Gebäudes wird die soziale Diversität der Nutzenden ermöglicht.
  • C2C-No-Go: Ausverkauf kommunalen Eigentums; Gated Communities; soziale Segregation durch einseitige Nutzungs- und Preisangebote; Projektentwicklung ohne Berücksichtigung des komplexen Grundstückskontextes; anonyme und unattraktive Erschließungszonen; fehlende Begegnungsräume und Mitsprachemöglichkeiten.

     

Diversität

Diversität kann im Kontext von C2C im Bau auf unterschiedliche Arten und Weisen gewährleistet werden, die sich zudem gegenseitig ergänzen können. Design, Architektur und flexible Nutzungsmöglichkeiten von Gebäuden sind drei Hebel, die zu einem sozialen Mehrwert durch das Gebäude führen können. 

Soziokulturelle Diversität

Das Gebäudedesign und die Nutzung tragen aktiv zur sozialen Stabilisierung des Umfeldes bei. Dadurch kann Gentrifizierungsgsprozessen und gesellschaftlicher Spaltung entgegengewirkt werden. Die Durchmischung der Bewohnerschaft kann aktiv betrieben oder gefördert werden. Konzepte wie Gated Communities und Prozesse, die die soziale Segregation durch einseitige Nutzungs- und Preisangebote befördern, sind zu vermeiden. Diversitäts-Aspekte finden sich auch in der Gebäudezertifizierung wieder, beispielsweise im DGNB-System für Gebäude und für Quartiere.

  • C2C-Ziel: Das Gebäude trägt aktiv zur sozialen Diversität im Quartier oder der Kommune bei.
  • C2C-Mindestanforderung: Innerhalb des Gebäudes wird die soziale Diversität der Nutzenden ermöglicht.
  • C2C-No-Go: Gated Communities und soziale Segregation durch einseitige Nutzungs- und Preisangebote.

     

Architektur und konzeptionelle Diversität

Die individuelle Architektur eines Gebäudes hat einen unmittelbaren Effekt auf die Menschen. Durch Form, Größe, Proportion, Farbigkeit, Materialwahl, Begrünung oder den Anteil von Öffnungen reicht das Wirkungsspektrum von einladend bis einschüchternd. Wie sehr Menschen sich mit ihrer Kommune und ihrer Nachbarschaft identifizieren, wie sicher und zu Hause sie sich fühlen oder wie engagiert sie sich am öffentlichen Leben beteiligen, hängt also auch vom Erscheinungsbild des Gebäudes ab. Fügt es sich in das Ortsbild ein oder wird es als Fremdkörper wahrgenommen? Wirkt es abweisend und verschlossen? Ist der menschliche Maßstab gewahrt? Stellt es einen Blickfang dar, den man gerne betrachtet? Transportiert es die positive Message des Entwurfes nach außen? Bietet es Inspiration? Der Entwurfsprozess sollte partizipativ gestaltet werden und auch die direkt betroffenen Anwohner*innen einbinden.

Die tragende Struktur eines Gebäudes kann über die statische Funktion hinaus integraler, sichtbarer Bestandteil des Entwurfskonzeptes sein, beispielsweise bei Markt- und Messehallen, einem Aussichtsturm oder dergleichen. Dies könnte künftig auch bei anderen Gebäudetypologien relevant werden, wenn die Rückbaubarkeit der Konstruktion und die Flexibilität der Grundrisse an Bedeutung gewinnen.

Auch bei der Raum- und Grundrissgestaltung zeigt sich, dass Proportionen, Raumbeziehungen und „sinnliche“ Eigenschaften der gewählten Materialien, deren Farben oder die Lichtführung im Raum eine positive Wirkung auf das Wohlbefinden und dadurch mittelbar auch auf die Gesundheit der Nutzer*innen und Bewohner*innen oder auf die Identifikation mit dem Gebäude haben. Das gilt bei „hierarchiearmen“ Bürolandschaften in Verwaltungsgebäuden ebenso wie bei nicht-stigmatisierenden, inklusiven Entwurfskonzepten im Wohnungsbau. Gestaltungsaspekte werden auch in Zertifizierungssystemen bewertet, beispielsweise im DGNB-System für Gebäude und Quartiere.

  • C2C-Ziel: Die Gebäudeform und -wirkung steigern aktiv die städtebaulichen Qualitäten und fördern bei Nutzenden und Passanten das positive Menschenbild, geschätzter Teil einer Gemeinschaft zu sein oder inspirieren Menschen.
  • C2C-Mindestanforderung: Das Erscheinungsbild fügt sich respektvoll in den Kontext ein und sendet eine positive Botschaft.
  • C2C-No-Go: Das Gebäude erscheint als Fremdkörper und als Medium destruktiver Botschaften wie Angst, Unsicherheit, Distanz oder Macht.

     

Flexibilität

Flexibilität bedeutet, dass unterschiedliche Nutzungen und Belegungen der Räume eines Bauwerks ermöglicht werden. Das heißt, dass etwa Nutzungsänderungen oder Aufstockungen ohne wirtschaftliche oder funktionale Abstriche möglich sind. Ein Weg dahin ist die Festlegung eines definierten Systemrasters. Damit können standardisierte Module oder Elemente eingesetzt werden. Ein zweiter Weg besteht darin, das Tragwerk für mehr als ein Nutzungsszenario auszulegen. Die Demontagefähigkeit ist an dieser Stelle eng mit der Flexibilität verknüpft.

Mit einem Tragsystem, das gezielt darauf ausgelegt wurde, ist eine hohe Flexibilität in der Grundrissgestaltung und damit eine Anpassung an veränderliche Bedürfnisse möglich. Nichttragende Bauteile sollten so montiert und demontiert werden können, dass Eingriffe in die Struktur schnell, emissionsarm und ggf. auch bei laufender Nutzung möglich sind. Alle Anschlusspunkte an die tragenden Bauteile sowie die Zugänglichkeit der Verbindungsmittel sind entsprechend zu optimieren.

Die Grundrisse sollten darauf ausgelegt sein, dass geschaffene Räume möglichst auch wechselnde oder mehrere Funktionen erfüllen zu können. Der Aspekt der Flexibilität kann sich im Falle eine Gebäudezertifizierung ebenfalls positiv auswirken, beispielsweise im DGNB-System.

  • C2C-Ziel: Größtmögliche bauliche und funktionale Anpassungsfähigkeit im Grundriss; (fast) alle Flächen erfüllen mehrere Funktionen; langlebiges Tragwerk für viele Nutzungsszenarien.
  • C2C-Mindestanforderung: Flexible Nutzung oder bauliche Anpassungen im Grundriss sind teilweise möglich; Mehrfachnutzung ist bei manchen Flächen möglich; das Tragwerk lässt mehr als eine Nutzung zu ohne wirtschaftliche oder funktionale Abstriche; eine Aufstockungen ist möglich.
  • C2C-No-Go: Flexible Nutzung, Mehrfachnutzung, Nutzungsänderungen und bauliche Anpassungen oder Aufstockungen sind nicht möglich.