C2C im Bau: Orientierung für Kommunen

4 C2C im Bauprojekt

4.1 Potenziale und Herausforderungen in Bauprojekten

Bauen nach Cradle to Cradle bietet kommunal Verantwortlichen eine große Chance und einen Hebel, die Entwicklung der eigenen Kommune langfristig nachhaltig zu gestalten. Im Idealfall ist ein C2C-inspiriertes Projekt ein partizipativer Prozess, in dem allen Beteiligten die Chancen und der  Mehrwert, aber auch die Herausforderungen bewusst sind, um für Letztere gemeinsam Lösungsstrategien entwickeln zu können.

Herausforderungen als Chance

C2C-inspirierte Bauprojekte eröffnen neue Perspektiven und Möglichkeiten der kommunalen Gestaltung – gleichzeitig stellen sie die daran Beteiligten vor neue Herausforderungen. C2C-inspiriertes Bauen bedeutet für Architektur- und Planungsbüros, Bauunternehmen und die Gewerke zum heutigen Stand in vielen Aspekten eine Abkehr vom herrschenden Standard. Umso wichtiger ist es, alle Akteur*innen von Beginn an mit einzubeziehen. Das kann damit beginnen, die zahlreichen erfolgreichen Beispiele für C2C-Bauten und kommunale Entwicklung nach C2C zu nennen. Darüber hinaus gibt es bereits viele Bauprodukte und Lösungen, die entweder nach Cradle to Cradle Certified ® zertifiziert sind und noch viele mehr, die ohne Zertifikat den C2C-Kriterien entsprechen. 

Eine Herausforderung zu Beginn des Projektes ist die Entscheidung, welche konkreten positiven Auswirkungen ein Gebäude in einer Kommune und in seinem Nutzungskontext haben soll, um einen möglichst großen positiven Fußabdruck zu erzielen. Dabei ist es hilfreich, sich vor jeder Interaktion in die Lage derjenigen Beteiligten zu versetzen, mit denen Sie interagieren wollen. Bei der Planung C2C-inspirierter Gebäude gibt es vielfältige Möglichkeiten der architektonischen Gestaltung, die dadurch auf das Konto des positiven Fußabdrucks einzahlen kann. Die besonderen Potenziale von C2C liegen dabei insbesondere im Fokus auf positiv definierte Ziele, die einen echten Mehrwert für die Kommune schaffen. Kommunal Verantwortliche können dadurch gemeinsam mit allen Beteiligten die Umgebung und die Nutzung des Gebäudes aktiv und deutlich stärker gestalten, als das bei konventionellen Gebäuden der Fall ist. Ergeben konventionell geplante Gebäude im besten Fall ein Ensemble, so werden C2C-inspirierte Gebäude aktiver Teil der Lebens- und Arbeitswelt in der Kommune. Während öko-effizient geplante Gebäude auf eine Verringerung der CO2-Emissionen abzielen, speichern und binden C2C-inspirierte Gebäude Kohlenstoff und tragen dadurch dazu bei, Emissionen komplett zu vermeiden. Zudem erhöhen sie die Lebensqualität in der Kommune, etwa durch gesunde Innenräume, Lärmreduzierung und die vielfältigen Nutzungsmöglichkeit durch modulare Bauweise. Zu Beginn des Projektes sollte daher eine Vision entwickelt und konkrete Ziele vereinbart werden, durch die die Vision messbar umgesetzt werden kann.

Die Rolle von C2C-Verantwortlichen im Projekt

Um ein C2C-inspiriertes Gebäude zu entwerfen und den Entwurf umzusetzen, ist es sinnvoll, eine*n C2C-Verantwortliche*n im Projektteam zu haben. Das kann eine Person mit umfangreicher Expertise im Bereich C2C sein, die tief mit C2C als Ansatz vertraut ist und Erfahrung in der Anwendung von C2C-Kriterien im baulichen Kontext hat. Es kann aber auch eine Person sein, die sich mit C2C vertraut macht und für die umfassende Umsetzung von Cradle to Cradle verantwortlich ist. Das kann anhand dieses Leitfadens geschehen oder mit anderer Hilfe.

Die folgenden Unternehmen mit C2C-Expertise sind lediglich beispielhaft zu sehen, die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Kontaktieren Sie gerne C2C NGO bezüglich weiterer Anbieter, die aufgenommen werden sollten.

  • C2C Expolab
  • Delta Development
  • EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer
  • Mulhall & Hansen Beneficial Footprint
  • HPP Architekten
  • Partner und Partner Architekten
  • kadawittfeldarchitektur
  • Kraaijvanger Architecten
  • Interboden Gruppe
  • Moringa GmbH
  • EDGE Technologies
  • Stadt.Haus.Mensch
  • Ahner Landschaftsarchitektur

Die für C2C verantwortliche Person begleitet das Projekt von der ersten Idee, also schon im Visionierungsprozess, bis hin zur Fertigstellung und Inbetriebnahme. Die Person unterstützt alle Projektbeteiligten, stellt die bestmögliche Integration und konsequente Umsetzung von Cradle to Cradle in allen Projektphasen sicher und erarbeitet mit den Beteiligten innovative Lösungen. Die für C2C verantwortliche Person

  • verankert C2C als Mindset des Projektes,
  • stellt C2C in Wettbewerb, Planung und Ausschreibung sicher,
  • achtet auf fachgerechte Ausführung der C2C-inspirierten Planung auf der Baustelle durch Qualitätsprüfung und Dokumentation,
  • sorgt für vollständige und aktualisierte „as built‟-Dokumentation und unterstützt bei Übergabe und Inbetriebnahme, sodass das C2C-inspirierte Gebäude richtig gehandhabt wird.

Der oder die C2C-Verantwortliche begleitet im Idealfall das gesamte Projekt und ergänzt die klassischen bestehenden Rollen und Aufgaben im Bauprojekt. Es gibt verschiedene Formen, die Rolle zu besetzen und damit das nötige C2C-Wissen im Projekt zu sichern. Beispielsweise in Form einer zusätzlichen Stelle für eine beratende Person, die ausschließlich diese Funktion innehat. Oder durch eine Doppelfunktion des*der Planer*in. Kommunen können im Idealfall eine interne Stelle einrichten und/oder bestehendes Personal fortbilden, sodass interne C2C-Expertise auch für weitere Projekte vorhanden ist. Es sollte projektindividuell entschieden werden, in welchem Umfang die Rolle nötig ist. Faktoren können dabei die Größe des Projekts oder auch bereits vorhandenes C2C-Wissen und Erfahrungswerte der Projektbeteiligten sein.

Einbeziehung der Projektbeteiligten

In der gängigen Praxis ist die Einbeziehung von Fachplanenden, ausführenden Unternehmen und Lieferanten in den frühen Projektphasen – Vision und Zielsetzung, Projektvorbereitung (HOAI LPH 1) und zum Teil in der Planung (LPH 2) – noch ungewöhnlich. Für einen umfassend integrativen Prozess nach C2C ist dies jedoch von großer Bedeutung. Um innovative und bestmögliche Lösungen zu finden, sind ein kollaborativer Prozess und die Einbindung verschiedener Perspektiven wichtig. Da Fachplanung, ausführende Unternehmen und Lieferanten zu diesem Zeitpunkt in der Regel noch nicht feststehen, können diese Akteure und ihre fachlichen Perspektiven beispielsweise über Beratungsverträge hinzugezogen werden. Die folgende Abbildung 9 verdeutlicht die Vorteile einer Einbindung von Auftragnehmenden und Lieferanten als direkte Projektbeteiligte in die Entwurfs- und Planungsprozesse.

Grafik zu linearem Abwärtszyklus vs. zirkulärem Aufwärtszyklus
Abbildung 9: Linearer Abwärtszyklus vs. Zirkulärer Aufwärtszyklus
(übersetzt aus Mulhall et al., 2019)

Die direkt oder indirekt betroffenen Projektbeteiligten unterscheiden sich je nach Projekt. Tabelle 2  zeigt Beispiele für regelmäßig Beteiligte. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten der Einbindung und unterschiedliche zu beachtende Rahmenbedingungen. So muss etwa bei Planer*innen bedacht werden, dass Vorteile, die aus einer Befassung mit dem Auftragsgegenstand vor dem eigentlichen Vergabeverfahren resultieren, ausgeglichen werden müssen (§ 7 Abs.1 VgV). Bürger*innen werden im Rahmen der gesetzlich vorgeschriebenen oder freiwilligen Öffentlichkeitsbeteiligung einbezogen. Die Beteiligung von Bürger*innen und insbesondere Anwohner*innen sollte im Sinne von C2C über das gesetzliche Mindestmaß hinaus aktiv gestaltet werden und gezielt über die Projektphasen hinweg eingeplant werden. Gleiches gilt für die Einbeziehung der Nutzer*innen und der Verantwortlichen für den Betrieb des Gebäudes. Für den Bau einer Schule könnten beispielsweise die Schüler*innen als Preisrichter*innen in den Architektenwettbewerb einbezogen werden.

Tabelle 2: Beispiele für Stakeholder in einem Bauprojekt

Diese Übersicht dient dazu, die Stakeholder eines Bauprojektes zu identifizieren und einzuordnen. Es geht um ihre Interessen und Ansprüche, die ja nicht immer mit den Interessen und Ansprüchen des Bauherren deckungsgleich sind. 

Investoren

  • Besitzer*innen von Grund & Boden
  • Banken & Fonds
  • Projektentwickler*innen

Bauunternehmen und Nutzer*innen/ Bewohner*innen/ Betreiber*innen

  • Bauunternehmen und nachgeordnete Dienstleister und Gewerke
  • Architekt*innen und Designer*innen
  • Lieferanten
  • Infrastrukturanbieter (wie Wasserwerke, Gas, Telekom, etc.)
  • Nutzer*innen/Bewohner*innen/ Betreiber*innen
  • Besucher*innen (Kund*innen, Gäste, etc.)
  • Pächter*innen und Leasingnehmer
  • Verwaltungen und Haustechnik

Kommune – Land – Bund

  • Bau- und Planungsbehörden
  • Umweltbehörden
  • Finanzierungseinrichtungen
  • Kultus- und Schulbehörden

Steuerzahler*innen

  • Bürger*innen, Anwohnende und Anlieger*innen
  • Evtl. Mieterbund oder Verbände wie Grundeigentümerverband

Behörden & Einrichtungen

  • Handelskammer
  • Finanzämter und andere Einrichtungen der Öffentlichen Hand

NGOs

  • Wie BUND oder NaBU
  • Wie Wohlfahrtsverbände oder Diakonie

Medien

  • Lokale und überregionale Medien
  • Pressestellen


C2C-inspirierte Leuchtturmprojekte wie die
Venlo City Hall, das Lyceum Schravenlant Gymnasium oder die Backsippans Vorschule Ronneby zeigen den Erfolg durch die frühe Einbeziehung der richtigen Projektbeteiligten. Der Aufwand in den frühen Projektphasen kann sich zwar dadurch erhöhen, jedoch entstehen über die Dauer des Projektes und insbesondere für die Nutzungsphase eine Vielzahl von Vorteilen, wie aus den Projektberichten hervorgeht: Eine frühzeitige Problemerkennung und entsprechend einfachere Problembewältigung, eine hohe Zufriedenheit der Nutzer*innen des Gebäudes, langfristige Kosten- und Zeitersparnisse, die Minimierung von Risiken und eine deutliche höhere Wahrscheinlichkeit des Projekterfolgs, mehr Freude am Projekt und dem Umsetzungsprozess, eine bessere Kommunikation und eine Stärkung von Prozessen sowie eine angenehmere Arbeitskultur.

Kommunikation

Die Kommunikation im Projekt kann in interne und externe Kommunikation aufgeteilt werden. Die externe Kommunikation richtet sich an die Öffentlichkeit und die Bürger*innen der Kommune. Die interne Kommunikation zielt darauf ab, dass von der Zielsetzung über die Planung und den Gewerken in der Bauausführung, bis hin zur Inbetriebnahme die notwendigen C2C-Kenntnisse vermittelt werden. Die Verantwortung für die externe Kommunikation liegt bei der kommunalen Verwaltung. Gegenüber den Planenden und Ausführenden liegt die Verantwortung für die Kommunikation bei der Vertretung der*s Bauherren*in. Die im Projekt von C2C verantwortliche Person kann dabei beide Stränge unterstützen. Sie sollte auch auf die Kommunikation innerhalb des Projektteams besonderes Augenmerk legen, da die Arbeit mit C2C-Baustoffen oder Bauelementen sich von der klassischen Vorgehensweise unterscheiden kann. Eine zentrale Hilfestellung können dabei die Ausschreibungsunterlagen, insbesondere das Leistungsverzeichnis, sein sowie Ansprechpersonen, die für Fragen aus den Gewerken zur Verfügung stehen und die Funktion einer Kontrollinstanz im laufenden Projekt übernehmen. Stehen besondere Arbeitsschritte an, wie beispielsweise das Verschrauben von Fenstern anstatt der üblichen Einschäumung, bieten sich vorab entsprechende Schulung oder Einweisung an, etwa im Startgespräch mit dem jeweiligen Bauunternehmen.

Für die Kommunikation ist die Roadmap für C2C-inspirierte Gebäude ein hilfreiches Instrument. Diese Roadmap beinhaltet auch die Vision und die Ziele des Projekts und geht daher über den klassischen Projektplan hinaus. Sie kann als Instrument für die interne und die externe Kommunikation genutzt werden und an einem zentralen Ort gut zugänglich für die direkten Beteiligten sowie Anwohnende und interessierte Bürger*innen ausgestellt werden. Auf einer Website können alle Informationen zum Bauvorhaben kommuniziert und von den Bürger*innen und Interessierten kommentiert werden.

In der Roadmap für C2C-inspirierte Gebäude kann dargestellt werden, …

  • wie die Ziele der Projektbeteiligten erfüllt und umgesetzt werden,
  • wo und welcher ökologische, soziale und wirtschaftliche Mehrwert generiert wird,
  • wie und wo C2C in dem Projekt umgesetzt wird.


Die Ziele können als Instrumente für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden, um den Projektbeteiligten und den Bürger*innen den Mehrwert zu veranschaulichen, der mit dem C2C-inspirierten Prozess generiert wurde und wird. Das Projekt und schon diese ersten wichtigen Schritte können als Praxisbeispiel genutzt werden, um den Bürger*innen C2C nahe zu bringen. Eine stringente und transparente externe Kommunikation wird in einigen Zertifizierungssystemen, beispielsweise bei der DGNB, positiv bewertet. Und das sowohl im Neubau als auch beim Gebäuderückbau.