C2C im Bau: Orientierung für Kommunen

4 C2C im Bauprojekt

4.2 Mehrwert durch C2C

Cradle to Cradle-inspirierte Gebäude sind für Eigentümer*innen, Nutzer*innen, die Kommunen sowie die Projektbeteiligten vorteilhaft und erzeugen auf vielfältige Weise einen Mehrwert:

  • Verbesserung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Qualität
  • gesunde Wohn-und Arbeitswelt steigert das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit von Menschen
  • kontinuierliche Verbesserung während der Planung, des Betriebs und Umbauten, bis zur Demontage des Gebäudes (C2C als Prozess der kontinuierlichen Verbesserung)
  • Finanzieller Mehrwert durch Restwert der Materialien im Gebäude bei Rückbau
  • Hinausgehen über effizienz-orientierte Ansätze (negative Auswirkungen minimieren) und der Verfolgung des Ansatzes der positiven Auswirkungen (Mehrwert schaffen durch positive Zielsetzungen)
  • Anpassung an Verfahren, die von den Beteiligten bereits verwendet werden, statt zusätzliche Bürokratie, Regulierung oder Zertifizierung zu verlangen
  • Anwendbarkeit in allen Klimazonen durch Beachtung regionaler Diversität
  • Steigerung der Standortattraktivität
  • Verbessertes Mikroklima beispielsweise durch Reinigung der Innen- und Außenluft sowie Kühleffekte
  • Steigerung der Biodiversität durch begrünte Dächer, Innenwände und Fassaden, Biotope, Reinigung von Regenwasser, Erzeugen von Nährstoffen und Humus für die Umwelt
  • Mehrwert für die Bürger*innen zum Beispiel durch öffentlich nutzbare Bereiche und Grünflächen sowie faire Mietpreise
  • Nutzen erneuerbarer Energie und Versorgung anderer Gebäude, indem sie mehr Energie produzieren als sie selbst verbrauchen
  • Langfristiger Werterhalt und Wirtschaftlichkeit des Gebäudes
  • Besseres Risikomanagement
  • Finanzierungsvorteile
  • Vermarktungsvorteile durch C2C-Qualität

Die in Tabelle 3 genannten Ziele und Mehrwerte für die unterschiedlichen Stakeholder sind beispielhaft zu verstehen. Sie können und sollen je nach Bauvorhaben angepasst oder erweitert werden. Die enthaltenen Punkte sind Orientierungshilfen zur Identifikation der projekt-individuellen Ziele und Mehrwerte. Eine Excel-Vorlage kann hier heruntergeladen werden.

4.2_Tab_3
Tabelle 3: Beispiele für Ziele und Mehrwerte durch C2C

Potenziale für kurzfristige Gewinne identifizieren

Kurzfristige Gewinne sind wichtige Instrumente, um den Wert von C2C zu demonstrieren. Wo können Sie kurzfristige Ergebnisse erzielen, um den Mehrwert des C2C-inspirierten Ansatzes zu demonstrieren? Zum Beispiel können ein Design für Demontage oder Licht-Miet-Systeme sofortige finanzielle Vorteile generieren. Bei Licht-Miet-Systemen entfallen beispielsweise die Kosten für die Anschaffung von Leuchten, deren Austausch sowie die Instandhaltung des Lichtsystems. Denn diese Services werden vom Anbieter übernommen. Von den daraus resultierenden Kostenvorteilen können Mieter*innen, Eigentümer*innen und Investor*innen profitieren. Schnell und einfach montierbare Konstruktionen senken zudem die Kosten für Handwerksleistungen.

Innovative Produkte & Prozesse einsetzen

Neben finanziellen Vorteilen kann auch ein Mehrwert durch innovative Produkte und Prozesse entstehen, zum Beispiel durch den Einsatz gesunder Wandfarben oder Bodenbeläge, die Menschen und Umwelt nicht schaden und sogar die Luft reinigen können. Durch Fassaden- und Innenraumbegrünung kann Lebensraum geschaffen und dadurch die Artenvielfalt gefördert werden sowie die Luftqualität und das Mikroklima verbessert werden. Der positive Mehrwert dadurch werden in zahlreichen Praxisbeispielen beschrieben.

Materialinnovation in jeder Phase vorantreiben

Die Qualität von Materialien für die Wiederverwendung kann in jeder Phase verbessert werden: in der Planung, im Bau, bei der Wartung und bei fest verbauten sowie beweglichen Produkten im Gebäude. Während das Tragwerk selten ausgetauscht oder ausgebessert wird, durchlaufen im Betrieb des Gebäudes Produkte wie Möbel, Teppiche, Filter, Böden und Pflanzen schnellere Erneuerungszyklen. Dies bietet viele Innovationsmöglichkeiten auch in kürzeren Zeitabständen, wodurch für die Gewerke, Bauunternehmen und Baustoffhersteller ein Zusatznutzen entstehen kann.

Baumaterial im Kreislauf halten

Werden Gebäude als Materialbank geplant und umgesetzt, können die Materialien nach ihrer Nutzungsphase wieder in den entsprechenden Stoffkreislauf gebracht werden. Sie sind somit Kapitalanlagen, die ihren Wert erhalten. Indem die verbauten Rohstoffe und Materialien digital erfasst, registriert und bepreist werden, entstehen neue Finanzierungsmöglichkeiten. Denn aus der Summe der verbauten Materialien lässt sich ein zeitgenauer Rohstoff-Restwert des Gebäudes ermitteln. So kann der Aspekt der Zirkularität zusätzlich zu dem technischen Planungsansatz auch in der wirtschaftlichen Betrachtungsweise berücksichtigt werden. Davon können insbesondere Investor*innen sowie eine Kommune als Bauherr*in profitieren. Einen weiteren Zusatznutzen für die Kommune ergibt sich, wenn die Wiederverwendbarkeit von Anfang an nicht nur in einem einzelnen Bauprojekt, sondern als Perspektive der Stadtentwicklung gebäude- und projektübergreifend berücksichtigt wird. 

Der Markt für Baumaterialien ist in Bewegung. Es gibt schon zahlreiche Marktplätze für vorgenutztes und wiederverwendbares Baumaterial oder Bauelemente. Mittlerweile gibt es aber auch zirkuläre Ansätze, bei denen Bauelemente oder Bauteile einer direkten Wiederverwendung oder einer Weiterverarbeitung zugeführt werden. In diesen Modellen steckt ein enormes Potenzial – sowohl hinsichtlich der ökologischen Auswirkungen als auch der finanziellen Vorteile. Denn Material, das in Qualität und Menge gut belegt ist, kann in der Finanzierung und im Buchwert einen positiven Unterschied machen.

Eigentum durch Nutzung ersetzen 

Das Geschäftsmodell „Product as a Service“ (PaaS; dt. Produkt-Service-System, PSS) umfasst den kurz- oder langfristigen Zugang zu einem Produkt oder seiner Nutzung. So werden beispielsweise statt einer Lampe die Lichtstunden erworben, die nach Verbrauch abgerechnet werden. Dabei geht die Lampe selbst nicht in das Eigentum des*r Kund*in über. Statt einen Aufzug zu kaufen, wird seine Nutzung abgerechnet, also ein Festbetrag für die Fahrten mit dem Aufzug. Oder die Waschmaschine wird über die Anzahl der Waschgänge abgerechnet. Die Eigentumsrechte bleiben bei den Herstellern, die Kund*innen zahlt nur für die Nutzung. Am Ende der Nutzungsdauer geht das Produkt an den Hersteller zurück. Dieser wird bei diesem Modell dazu motiviert, das Produktdesign auf eine Optimierung von Wartung, Reparatur, Weiterverwendung, Wiederaufbereitung und Recycling auszulegen. Untersuchungen zeigen, dass Variationen dieses Geschäftsmodells zu einer Verringerung des negativen ökologischen Fußabdrucks um 20 bis 50% und in einigen Fällen sogar um über 90% führen können, wie Peter Lacy und Paul Rutqvist in ihrem 2015 erschienenen Buch “Waste to Wealth. The Circular Economy Advantage” schreiben. 

Bei Bauvorhaben können beispielsweise Beleuchtung, Fassadenverkleidung, Bodenbeläge, Innenraumbegrünung, Möbel oder Hausgeräte durch klassische Miet- und Leasingkonzepte, Sharing-Konzepte oder andere innovative Modelle wie Performance-Contracting genutzt werden. Für die Venlo City Hall wurden auf diese Weise beispielsweise Büromöbel beschafft.

Sollte eine Nachhaltigkeitszertifizierung für das Gebäude geplant sein, kann sich auch dieser Aspekt positiv auf die Bewertung auswirken und nachgewiesen werden. So rechnet beispielsweise die DGNB einen Bonus an, wenn nachweislich ein wesentlicher Anteil von Bauteilen wiederverwendet oder durch Geschäftsmodelle umgesetzt wird, die der Circular oder Sharing Economy-Idee entsprechen und eine Kreislauffähigkeit fördern.

Produktivität durch gesunde Gebäude steigern

Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Wohlbefinden und Materialgesundheit im Gebäude und der Produktivität der Menschen, die sich darin aufhalten. Der regelmäßige Aufenthalt in einem Gebäude mit schädlichen Umweltbedingungen kann zu dem ‘Sick-Building-Syndrom’ führen, das sich in Augen-, Nasen- oder Halsreizungen sowie Kopfschmerzen oder Müdigkeit ausdrückt. Es gibt mittlerweile diverse Untersuchungen der gesundheitlichen und Produktivitätsvorteile von gesunden und „grünen‟ Gebäuden. Die Mehrheit der Ergebnisse zeigen, dass Personen in „grünen“ Gebäuden ihre wahrgenommene Gesundheit und die Umweltbedingungen am Arbeitsplatz besser bewerten. In zwei Untersuchungen wurden zudem die direkten Auswirkungen eines Umzugs der Arbeitnehmer*innen aus einem konventionellen in ein gesundes Gebäude erhoben. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen in einem gesunden Gebäude produktiver sind und weniger Krankentage aufweisen. Sie sind unter anderem in diesem Factsheet aufgelistet, zudem existieren Checklisten mit einem Fokus auf Materialgesundheit. Die Verwendung materialgesunder Baustoffe und Einrichtungsgegenstände kann also zu einem direkten finanziellen Zusatznutzen für die Kommune führen, wenn beispielsweise die Krankentage von Beschäftigten in kommunalen Gebäuden dadurch sinkt. Darüber hinaus wird so die Standortattraktivität erhöht.